Was das Geile am Kegeln ist
Veröffentlicht am 02.12.2017 | Lesedauer: 4 Minuten
Kann Kegeln eigentlich cool sein? Und kriegt man junge Talente dazu, Zeit und Mühe ins Sportkegeln zu investieren? Eric Hardt, einer der besten Junior-Kegler der Republik, erzählt, was eigentlich „das Geile am Kegeln“ ist.
Kegeln: Ist das nicht dieser Alte-Leute-Sport? Wir denken an feuchtfröhliche Seniorenrunden und eine sedierte Siebzigerjahre-Gemütlichkeit – „eine ruhige Kugel schieben“. Bei dieser Art des Kegelns, sagt Eric Hardt charmant „steht der gesellschaftliche Aspekt im Vordergrund“. Sportkegeln ist da etwas ganz anderes. Eric Hardt ist U18-Sportkegler, einer der besten der Republik.
Hardt trainiert zwei- bis dreimal pro Woche beim Kegelsportverein Wetzlar. „Unser Programm besteht aus Technikeinheiten, Konditionstraining und mentalem Training.“
Sportkegeln ist ein Präzisionssport
Moment mal. Konditionstraining beim Kegeln? „Ein normaler Wettkampf besteht aus 120 Würfen“, sagt Eric. „Wir machen dann im Training auch mal 200 Würfe, um im Wettkampf gerüstet zu sein und keinen Konzentrationsabfall zu haben.“
Und weil jede Kegelbahn anders ist, braucht Hardt die ersten Würfe immer auch dazu, die Beschaffenheit der Bahn einzuschätzen und sich darauf einzustellen. „Das Geile am Kegeln ist, dass es ein Präzisionssport ist“, sagt Hardt. Da kann jeder noch so kleine Fehler entscheidend sein: „Die Lauflinie, der Aufsatzpunkt der Kugel, die Geschwindigkeit – all das sind Faktoren.“
Auf die Frage nach deutschen Sportidolen wird ein größerer Teil der deutschen 17-Jährigen vermutlich Fußball-Nationalspieler Marco Reus, Tennis-Star Alexander Zverev oder Basketballprofi Dennis Schröder nennen. Eric Hardt nicht.
Er spricht mit Ehrfurcht von Holger Mayer
Sein Sport-Vorbild ist: Holger Mayer! Holger Mayer ist Bundesliga-Sportkegler, sein Verein sind die saarländischen Kegelfreunde Oberthal und niemand hat jemals so viele Kegel in einem Bundesligaspiel umfallen lassen wie Mayer: 1029 Holz, wie es in der Fachsprache heißt, bei 120 Würfen. Rekord. Eric Hardt spricht mit Ehrfurcht von Holger Mayer.
Man kann immer etwas lernen. Dass man 120 Neuner wirft, das gibt es nicht
Eric Hardt
Das Kegeln, sagt Eric Hardt, „hat mir gleich von Anfang an Spaß gemacht“. Mit elf Jahren hat er zum ersten Mal gespielt. Dass er die Lust am Sport nie verloren hat, erklärt er so: „Man kommt nicht an den Punkt: Jetzt bin ich der beste Spieler und kann mich nicht mehr weiterentwickeln. Man kann immer etwas lernen. Dass man 120 Neuner wirft, das gibt es nicht.“ Ein Neuner ist der Volltreffer, wenn alle neun Kegel mit einem Wurf abgeräumt werden.
Erics Mitschüler wissen, dass dieses Sportkegeln ein Leistungssport ist. Aber wie erklärt man denen, die Kegeln nur aus dem großelterlichen Kontext kennen, den Unterschied zwischen dem gemütlichen Kugelschieben und dem, was Eric Hardt macht? „Die sollten einfach mal zu einem Wettkampf kommen und die sensationelle Atmosphäre miterleben. Da stehen 200 Zuschauer an der Bahn und feuern einen an. Die Stimmung ist großartig.“
Die Deutschen sind Kegel-Weltspitze
So wie bei den Deutschen Meisterschaften 2013. Erics Premiere auf nationaler Ebene. Er holte Bronze. Der erste große Höhepunkt seiner Karriere. 2017 wurde er gemeinsam mit Justin Ehling Deutscher U18-Meister im Paarkampf.
Das nächste Projekt: die WM. Im Sommer 2018 gibt es die U18-Kegel-Weltmeisterschaft im niederländischen Eygelshoven. Eric ist unter den letzten acht deutschen WM-Kaderkandidaten und hat sehr gute Chancen, dabei zu sein. Das deutsche Nationalteam gilt als Favorit. Das Niveau ist international überragend, sagt Eric Hardt: „Deutschland ist mit Abstand das beste Land.“
Kegeln und junge Talente – nicht so einfach
Doch auch als Weltmeister wäre Eric nicht am Ziel. Denn das Sportkegeln wird trotz aller Ambitionen immer Hobby bleiben. Ohne normalen Beruf geht es nicht. Dafür steckt im Kegeln einfach zu wenig Geld.
Darum sind Menschen wie die Jansons so wichtig für den Sport. Beim Kegelsportverein Wetzlar investiert das Ehepaar Bettina und Jochen Janson pro Woche um die zehn Stunden ehrenamtliche Arbeit. Bettina Janson als Jugendwartin, Jochen Janson als 1. Vorsitzender.
Am wichtigsten: „Nachhaltigkeit“ – neue Talente entdecken und fördern. Aber Kegelsport und junge Menschen, das bekommt man nicht so einfach zusammen. Keine leichte Aufgabe. Bettina Janson, 2016 vom Deutschen Keglerbund als „Trainerin des Jahres“ ausgezeichnet, hat dafür ein ausgefeiltes Konzept.
Wir haben keine manifestierte Strategie. Es ist wichtig, dass das Vereinsklima stimmt
Jochen Janson
Über Schul-Arbeitsgemeinschaften oder Ferienaktionen bringt sie Jugendliche ans Kegeln heran und gewinnt immer wieder neue Vereinsmitglieder. Auch Eric Hardt kam so zum KSV Wetzlar. Letzten Endes sei es aber so, sagt Jochen Janson: „Wir haben keine manifestierte Strategie. Es ist wichtig, dass das Vereinsklima stimmt.“
Dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) ist das nicht entgangen. Gemeinsam mit der Commerzbank zeichnete er den KSV Wetzlar mit dem „Grünen Band für vorbildliche Talentförderung im Verein“ aus. „Teamgeist wird groß geschrieben beim KSV“, begründet DOSB-Vizepräsident Ole Bischof die Entscheidung.
„Die sportlichen Ambitionen vertragen sich bestens mit dem familiären Flair innerhalb des Vereins. Gesellschaftliche Mitverantwortung, viele soziale und pädagogische Angebote prägen das Programm des Vereins.“
Die Prämie von 5000 Euro will der Verein unter anderem in ein Trainingslager für junge Talente stecken. Und wer immer dort mit dabei sein wird, antwortet vielleicht irgendwann einmal auf die Frage nach dem sportlichen Vorbild mit: „Eric Hardt!“